Identitätsmarker

Alle Nationalsprachen sind Dorfsprachen, keine Stadtsprachen. Das behaupten die Russen. In gewisser Weise sind sie das auch – denn die Russen wollten und wollen jede Nationalsprache aus den Städten verbannen, wenn sie sie nicht gleich ganz ausrotten können. Sie sollte nur in den Dörfern bleiben, wo sie langsam verschwinden wird.

Aber die Sprache der Dörfer ist primär, nicht sekundär. Die Dorfbevölkerung ist konservativer und und hält mehr zusammen. Es ist schwierig, den Menschen dort ihre Muttersprache abzugewöhnen, wo man sich gut kennt und einen gegenseitigen Einfluss ausübt.

Einfacher haben es die Russen mit den Städten – deren Bevölkerung ist zahlreicher, aber auch kompakter, sie klammern sich weniger an die traditionellen Grundlagen, verändern sich und passen sich schnell an. Es ist leichter, sie zu russifizieren.

Die Dörfer sind also die Marker dafür, welche Sprache ursprünglich in einem bestimmten Gebiet gesprochen wurde. Jede andere Sprache ist eine aufgezwungene, sekundäre Sprache.

Wenn die Russen also behaupten, eure Sprache sei eine Dorfsprache, dann bestätigen die damit ihre Fremdheit in diesem Land, so als wollten sie sagen: “Die Russen kamen hierher!”

Schließlich sind unsere dörflichen Sprachen von St. Petersburg bis Kamchatka überall anzutreffen und ihre Sprache nur in den Städten – es ist sofort klar, welche Sprache in dieser Gegend fremd ist.

Andererseits wird die Dorfsprache in den Dörfern, die bereits vollständig russifiziert sind und in denen alle Russisch sprechen, selbst zu Russisch.  Aber das sage man den Russen nicht:  Die werden die Tatsache nicht überleben, dass deren Sprache eine Dorfsprache sein kann – die imperialistische Identität könne keine Dorfsprache sein, denn ein rückständiges Dorf sei nur für die Eingeborenen, nicht für die großen Eroberer und Zivilisatoren.

Jede Nation besteht sowohl aus Stadtbewohnern als auch aus Landbewohnern. Das ist normal und keineswegs beschämend. Schließlich gab es früher nicht einmal Städte.

Aber bei den Russen funktioniert diese Logik nicht. Sie schämen sich dafür, Dorfbewohner zu sein und erkennen die Dorfbewohner nicht als die ihren an. Das weist darauf hin, dass die Russen ausschließlich den Städten entstammen. Das deutet auf ihre künstliche Herkunft hin, die auf der Basis von mankurtisierten Völkern entstanden ist, die ihre Wurzeln vergessen haben.